Neues aus den US OF A
Burritos zum Frühstück, Krimis zum Wegdösen und Menschen zum Liebhaben – eine Woche geteilt durch sechs
Liebe Eskapistinnen, liebe Eskapisten,
ich war in den USA. Deshalb wird sich vieles an diesem Sonntag darum drehen. Mir ist jedoch wichtig, dass ich jeden Eindruck von Affektiertheit zerstreue. Deshalb vorneweg, nein, ich habe nicht ab der zweiten Nacht auf Englisch geträumt.
Ich finde auch die Ressourcen mampfende US-Alltagskultur in jeder Hinsicht gewöhnungsunmöglich. Und durch San Franciscos Innenbezirke zu laufen, hat mich auf ewig von den ätzenden Berlin-Pipimatratzen-Sprüchen geheilt. Ich liebe Berlin-Pipimatratzen!
Obwohl ich also keine Lobeshymnen auf dieses Sehnsuchtsland anstimmen werde, nur um in Wirklichkeit Anekdötchen unterzubringen, die beweisen sollen, wie weltmännisch ich durch die Weltgeschichte gondele, so will ich doch dieses loswerden: Ich liebe wieder mal die Menschen, die ich in den Vereinigten Staaten getroffen habe.
Das gilt für jeden einzelnen, aber auch für die allgemeinen Konventionen, die diese Menschen zusammenhalten. Wie sie mit mir sprachen, worüber sie mit mir sprachen, dass sie mit mir sprachen. Übers Zwischenmenschliche nach amerikanischer Art schmunzle ich zwar. Trotzdem fühlt sich alles leichter an, wenn man auf die amerikanische Art zwischenmenschlich ist.
Bis nächsten Sonntag!
***
#1 – Vor dem Abflug habe ich mich noch in meinem Coworking-Space unterhalten mit einem meiner, ja was eigentlich, Coworking-Brudis?
Der Brudi ist ein Texter und engagiert sich sogar im organisierten Textertum. Sein Texter-Berufsverband trifft sich einmal im Jahr. Im April geht’s nach Bochum, und er freue sich schon sehr, erzählt er mir beim Kaffee. Ein bisschen anstrengend sei traditionell die Arbeit an der Abschlusserklärung. Da werde dann über jede Formulierung und eigentlich sogar über einzelne Buchstaben gestritten, schließlich ist man Texter-Verband.
Was der Brudi dann erzählt, höre ich nicht mehr, denn in meinem Kopf spielt sich die folgende Filmszene ab:
Apokalyptische Zustände in einer Schulaula in Bochum-Stahlhausen. Geraune, Gebrüll, Zettel fliegen und Rauch wabert durch die Luft. Am Rednerpult eine vollbärtige Vorsitzendenperson, ein kläglicher Versuch, gegen das Chaos anzureden.
Plötzlich stürmt eine Schulrektorin aus Kassel auf die Bühne, stößt den Vorsitzenden weg vom Mikro und brüllt stattdessen selbst hinein: „Christian, niemand, der bei Verstand ist, würde hier den Dativ benutzen!“
Aus der Meute vor der Bühne ruft jemand: „Benutzt! Indikativ!“
#2 – Jupiter. Der größte Planet in unserem Sonnensystem heißt Jupiter!
#3 – Bei meiner Einreise in die USA musste ich satte anderthalb Stunden anstehen. Das zu akzeptieren, nachdem man elf Stunden bewegungslos in einem Flugzeugsitz festgeklemmt war, ist natürlich ein Leichtes. Denn die Sinnhaftigkeit von untot vorgetragenen Fragen wie „Wie viel Bargeld haben Sie dabei, Herr Laux?“ erschließt sich unmittelbar.
Oder das Scannen der Finger, wenn immerhin die Daumenabdrücke im neuen Schickimicki-Reisepass ohnehin hinterlegt sind …
Wie. Dem. Auch. Sei.
Ich stehe also in dieser biblisch langen Schlange, atme Klimaanlagenluft ein und Unmut aus, und realisiere erst allmählich, die Schlange ist wie ich: 90 Prozent männlich. Modisch falle ich eher aus der Reihe. Denn ich trage keine Patagonia-Weste und auch kein Funktionswäsche-Merch einer Firma mit „Robotics“ im Namen.
Ich google rasch, was an Events in San Francisco gerade so ansteht, sehe, dass die „Game Developers Conference“ morgen ihre Tore öffnet, und freue mich die restliche Stunde in der Schlange darüber, wie einfach Klischees das Leben doch manchmal machen.
#4 – Ich bin jemand, dem Schlaf sehr wichtig ist, ich würde so weit gehen und sagen, ich priorisiere ihn. Acht Stunden sind für mich die Regel. Was zu krankenhausähnlichen Zubettgehzeiten führt, da ich einer anderen Regel gemäß um fünf Uhr aufstehe.
Sie können sich jetzt ausmalen, was ein fünftägiger USA-Trip und der damit verbundene Acht-Stunden-Zeitunterschied mit meinem Lebenswillen anstellen.
Jede Nacht ab zwei Uhr, wenn ich wieder Slalom lief um Schlaf und wach, ging der Griff Richtung Kopfhörer. Denn, das habe ich bestimmt schon mal erwähnt, mein Hausmittel mit der größten Schlafkraft sind Krimis aus der ARD-Audiothek.
Erwarten Sie bloß keine Hörtipps und Empfehlungen! Ich habe von keinem Hörspiel wirklich mehr als zehn Minuten gehört. Selbst wenn ich wollte, ich könnte Sie nicht spoilern. Da drängt sich einem im Rückblick natürlich die Frage auf: Warum habe ich eigentlich jedes Mal ein neues Hörspiel angefangen?
#5 – Zwei Bücher hatte ich eingesteckt. Ohne eine einzige Zeile gelesen zu haben, brachte ich beide wieder mit. Zusammen mit der Erkenntnis, dass ich geistiges Standgas brauche, um zu lesen. Nicht einmal das habe ich, wenn ich fliege, nicht, wenn ich anstehe und erst recht nicht, wenn ich wegelagere an Gate Dingsbums.
Deshalb kann ich jetzt immerhin mit Bewegtbild-Empfehlungen dienen: die HBO-Serie „Hacks“, so gut ist Generationenknirsch lange nicht aufgeführt worden, die Arte-Dokumentation „Berlin Bouncer“, so sehr habe ich mit Sven Marquardt noch nie an der Ostsee einen Kaffee trinken wollen, und das Serien-Remake vom Film „The Gentleman“ auf Netflix, so sehr wollte ich noch nie ein Kind von Guy Ritchie.
Außerdem, das ist jetzt ein bisschen peinlich, habe ich auf dem Rückflug „Rabbit/Hole” mit Kiefer Sutherland angefangen und für packend befunden wegen seiner klassischen Staatsfeind Nummer eins-igkeit. Außer im Entertainment-Programm der Lufthansa läuft die Serie bei Prime Video. Aber meinen Prime-Account habe ich vor zwei Monaten gekündigt, weil ich den ja nie mehr brauchen werde. Also wenn da jemand vielleicht kurz mal seine Prime-Zugangsdaten unten in die Kommentare …
#6 – Die Frau vom Zoll nimmt’s doch bestimmt mit Humor, wenn ich auf die Frage, ob ich was anzumelden habe, antworte: „Ja, Sodbrennen!”
Dm wenn du Prime willst
Ich hoffe, dass ich eines Tages so gut auf Deutsch schreiben kann wie du. :)